Ken Adam zum 100. Geburtstag

Ken Adam wird in einem ausführlichen Artikel des Kölner Stadtanzeigers vom 5.2.2021 gewürdigt, den wir hier abdrucken:

Ken Adam schuf die bösesten Büroräume der Filmgeschichte – Zum 100. Geburtstag des Lieblingsarchitekten der Superschurken

Skizze für den Film „Moonraker“ (Foto: Ken Adam Archiv)

VON CHRISTIAN BOS

Ken Adam, der an diesem Freitag hundert Jahre alt geworden wäre, konnte sich als Set-Designer der klassischen James-Bond-Filme über Freiheiten freuen, wie sie selten einem Künstler gewährt werden, der seine Fertigkeiten in den Dienst kommerzieller Interessen stellt. Adams Entwürfe für die Bauten der Bonds konnten gar nicht fantastisch und größenwahnsinnig genug ausfallen.

Seine dämonischen Räume, vor allem die Schalt-und-Walt-Zentralen der Bösewichte, versinnbildlichten für das Publikum den ungebremsten Willen zur Macht, der immer auch ein Wille zum Untergang war – und lieferten zugleich den Kommentar zur Hybris des 20. Jahrhunderts: Selbst der größte Diktator schrumpfte in ihnen zur Ameise, und am Ende genügte ein ganzer Kerl im Abendanzug, um diese Cäsaren-Architektur unter Funkensprühen als bloße Kulisse zu entlarven.

Nur eine Klage entfuhr je Adams Lippen, nämlich die, dass er fortwährend Konferenzräume entwerfen müsse. Einen ebensolchen stellt auch sein berühmtestes Set dar, der „War Room“ unterhalb des Pentagons in Stanley Kubricks Satire „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“. In „Feuerball“, seinem vierten Bond, löste sich Adam aus den Fesseln der Wiederholung, in dem er im Besprechungszimmer der Terrororganisation Spectre einfach den langen Tisch wegließ. Die Schergen Blofelds saßen sich ohne Stütze gegenüber und jeder konnte auf Knopfdruck im Erdboden versenkt werden. Wir zeigen den Entwurf für den Konferenzraum des verrückten Industriellen Drax, der in „Moonraker“ – Ken Adams letztem Bond – die gesamte Menschheit vergasen will, um die Erde mit einer von ihm gezüchteten Herrenrasse neu zu bevölkern.

Adam, unter dem Namen Klaus Adam als Sohn eines jüdischen Kaufhausbesitzers 1921 in Berlin geboren, hatte mit zwölf Jahren auf dem Rückweg von seiner Schule den Reichstag brennen sehen, war ein Jahr später nach England geflüchtet, von wo aus er später als Jagdflieger mit seiner Hawker Typhoon waghalsige Einsätze gegen das verlorene Vaterland flog.

Er kannte den ins Globale gesteigerten und industriell gestützten Rassenwahn, der in den Bond-Filmen noch einmal als Actionfantasie durchgespielt wurde, also aus nächster Nähe. Als Adam für „Goldfinger“ eine geheime Gaskammer entwerfen musste, bekannte Adam später, sei ihm schon ein wenig mulmig geworden.

Der Moonraker-Konferenzraum, den Adam mit grimmig-entschlossenen Strichen seines Flo-Master-Stiftes als Kathedrale des Bösen skizziert hat, dient unwahrscheinlicherweise auch als Abgaskammer für die Raketen, die Shuttles mit Giftgas und ebenmäßig gebauten, blonden Menschen in den Weltraum tragen sollen. Gewaltige Triebwerke hängen bedrohlich über den Köpfen der Schreibtischtäter, der Raum ist ein Piranesi-Kerker für ein enträtseltes, dafür umso erschreckenderes Zeitalter.

So gelingt es Adam bürokratische Planung und todbringende Ausführung in einer Skizze kurzzuschließen. Daniel Libeskind, der Architekt unter anderem des Jüdischen Museums in Berlin, hat schon vor einiger Zeit bekannt, dass Ken Adams Film-Sets seine eigenen Entwürfe maßgeblich beeinflusst haben.

Die deutsche Kinemathek macht nun zum hundertsten Geburtstag Ken Adams seinen Nachlass als Online-Archiv der Öffentlichkeit zugänglich, zu besichtigen ist es unter

www.ken-adam-archiv.de